Es mag auf den ersten Blick etwas seltsam erscheinen, wenn Mikrofone mit Pinseln und anderen Utensilien bearbeitet werden, aber letztendlich ist ASMR auch Sounddesign.
Fangen wir damit an, was ASMR eigentlich ist.
ASMR steht für Autonomous Sensory Meridian Response und bezeichnet die Wahrnehmung eines kribbelnden, angenehmen Gefühls auf der Haut, Tingles genannt. Es beginnt meist auf der Kopfhaut am Hinterkopf und zieht sich über den Nacken und die obere Wirbelsäule bis in den Schulterbereich. Ausgelöst wird das angenehme Gefühl durch bestimmte akustische und optische Reize. Das funktioniert nicht bei jedem Menschen, aber auch ohne das sensorische Erleben kann ASMR als sehr entspannend empfunden werden.
Die akustischen Sinnesreize müssen direkt im Ohr stattfinden. Deshalb werden oft binaurale Mikrofone verwendet, die unsere Ohren nachbilden. Diese Ohren werden dann gerieben oder Materialien davor geknetet und bearbeitet, Wattestäbchen, Pinsel & Co. in den nachgebildeten Gehörgang gesteckt und vieles mehr. Als Zuhörer und auch als Zuschauer, denn ASMR ist hauptsächlich Videocontent, hat man das Gefühl, als würde das alles direkt in den eigenen Ohren passieren. Deshalb funktioniert ASMR auch nur mit Kopfhörern. Für manche mag das schrecklich klingen, für andere ist es Entspannung pur.
ASMR ist einfach schlechter Inhalt
ASMR-Ersteller:innen werden oft nicht ernst genommen. Jeder kann Mikrofone kneten, aber das stimmt nicht ganz. Egal ob man ASMR mag oder nicht, nehmt mal ein Mikrofon in die Hand und bürstet es mit einem Pinsel. Ihr werdet schnell merken, dass eure Aufnahme nur so von Peaks durchzogen ist. Einfach drauflosbürsten ist nicht, man muss sich schon ein bisschen mit Audio beschäftigen. Oft sind es Erfahrungswerte, die eine gute Audioqualität in diesem Bereich ausmachen. Sounddesigner machen manchmal nichts anderes. Das Geräusch des Laserschwerts in Star Wars ist auch nicht rein digital entstanden. Und da es sich bei ASMR hauptsächlich um Videocontent handelt, bei dem auch der visuelle Sinn eine wichtige Rolle spielt, muss man sich sehr gut mit Videoschnitt und Aufnahmemöglichkeiten auskennen.
Die andere Seite von ASMR
Leider gibt es in diesem Bereich einen Trend, den ich persönlich etwas schade finde. ASMR wird immer sexueller. Oft lecken leicht bekleidete Frauen Mikrofone ab, posieren und stöhnen vor der Kamera und wecken so bewusst sexuelle Fantasien bei den Zuschauern. Das ist in keiner Weise verwerflich, denn letztendlich sind es die Zuschauer*innen, in deren Köpfen sich das abspielt, nur setzt es viele ASMR- Ersteller:innen unter Druck. Sex sells, und wenn man da nicht mitmachen will, verliert man unter Umständen Konsument:innen. Besonders deutlich wird das bei Twitch.tv.
Warum dieser Beitrag?
Ich möchte einfach mal eine Lanze für ASMR- Ersteller:innen brechen. Man muss ASMR nicht mögen, aber die oft abwertende Haltung finde ich nicht gerechtfertigt. Allein das Wissen um das Klangverhalten einzelner Utensilien ist nicht lapidar. Gleiches gilt für den Videoschnitt und die Aufnahme. Auch im Sounddesign sammelt man Erfahrungswerte durch den Einsatz verschiedener Materialien, Anwendungen, Techniken etc.
Und wenn es Menschen gibt, die mit ASMR entspannen können, dann ist das doch eine gute Sache.